Halb Fünf
Steve öffnete die Augen, alles war dunkel, grau in grau. Er legte den kopf auf die Seite, in einem mattem Rot leuchtete die Digitalanzeige seines Weckers. 4:30, warum war er wach, warum schlief er nicht wie gewöhnlich? Hatte er im Schlaf etwas gehört? Er lauschte, vernahm das monotone, helle Brummen der Leitungen. Er hörte neben den Geräuschen des Hauses nichts was ihm weiter ungewöhnlich vorkam. Er schlief wieder ein. Er träumte wirr, in seinem Traum lief er durch einen Wald aus schwarzen Bäumen mit gläsernen Blättern. Der Boden war aus dunkelrotem Sand, in dem seine Füße Abdrücke hinterließen und sofort wieder verschwanden. In fast kindischem Stumpfsinn blieb er stehen und beobachtete dieses Phänomen, indem er seinen Fuß vor sich in den Sand drückte, ihn darauf gleich zurückzog und zusah, wie sein Fußabdruck in dem roten Sand verschwand. Er sah auf, und begann die Bäume zu betrachten. Sie waren aus einem schwarzem Material, welches metallähnlich glänzte, ohne, das er es näher beschreiben konnte. Die Blätter waren wie aus Glas oder reinem Kristall und genau so fein, genau so perfekt gemasert wie die natürlichen, die er sonst sah. Er spürte, wie jemand von hinten die Arme um seinen Bauch legte, den Kopf auf seine Schulter schmiegte und sich an seinen Rücken drückte. Es war eine sie, dass wusste er, ohne es erklären zu können, und sie musste wunderschön sein. Ihre Arme drückten angenehm auf seinem Bauch, und er hörte ihren Atem in seinen Ohren. Sie begann ihm ins Ohr zu flüstern, wie gleichgültig das Leben ist, da man immer an andere gebunden, von anderen abhängig ist. Das man nicht über sich selbst bestimmt, sondern nur darüber, wie man sich im Leben anpasst, dass es keinen unendlich liebenden Gott geben kann, der jeden einzelnen liebt. Wenn es überhaupt einen liebenden Gott gibt, dann einen der die Menschen als ein großes Ganzes liebt. Wie ein Vater, dessen Kind sich beim spielen das Knie aufgeschlagen hat. Die paar Zellen sind nebensächlich, nur das ganze muss am Leben bleiben. So ist dann auch mit Gott und den Menschen. Menschen führen Kriege, Tausende sterben, hinterlassen vielleicht Familien und Kinder, in deren Leben sie dann fehlen, um die sie sich nicht kümmern, denen sie in schweren Zeiten nicht helfen können. Doch das ist für Gott nur eine Nebensache, die nicht unbedingt verhindert werden muss, die Menschen als ganzes leben ja noch. „Viele Menschen würden dir sagen, dass Gott will, das wir lernen mit unserer Macht umzugehen. Doch frage diese Leute doch, ob das den Tod dieser Menschen und das Leiden der Hinterbliebenen rechtfertigt. Oder ob diese Leute denn dann mit den Toten tauschen würden, wenn dies alles so richtig wäre.“ Steve sah, wie seine schöne, heile Welt in Scherben zu zerbrechen drohte. Seine Gottesvorstellung war bereits verloren, dass er sie nie wieder finden würde. Sie sprach weiter. Sie sagte, das er wohl glaube, menschliche Liebe könne alles. Warum stehen dann reglos da, ohne sich bewegen zu können, während die Personen die sie über alles lieben vor ihren Augen umkommen? Warum können sie das nicht verhindern? Und während sich viele mit Schuldgefühlen und Zweifeln plagen, warum sie nicht helfen konnten, kommen andere Leute daher und sagen, wenn sie wirklich geliebt hätten, hätten sie was tun können und auch getan. „Deshalb habe ich diese Welt verlassen, um dieser Hölle zu entkommen und einigen Menschen durch meinen Tod klarzumachen, dass die Welt nicht so schön ist wie sie tut. Ich könnte dir noch viel erzählen, doch dazu fehlt die Zeit.“ Steve drehte sich um und sah sie an, sie war wirklich wunderschön. Ihr langes, braunes Haar fiel ihr sanft über die Schultern und hob ihre schönen Gesichtszüge hervor. Sein Blick glitt an ihrem schlanken Körper hinunter und blieb an ihren blutigen Handgelenken hängen. Er sah die Trauer und Einsamkeit in ihren Augen und schloss sie in seine Arme. In dem Moment wachte er irritiert auf. Er setzte sich an den Rand seines Bettes und als er den roten Sand an seinen Füßen sah, ging er ins Bad, schloss sich ein und nahm eine Klinge aus seinem Rasierer.
B.Mazur
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