Sleepless
Alles schien in ihm zu fallen, seine Masken, welche er sich unter den Menschen und allein gerne aufsetzte, um zu verstecken was er war, schienen sich Sanft vor ihm aufzulösen. Er spürte sich unter diesem rotem Schleier wieder wachsen, die engen Fesseln der Außenwelt fielen von ihm ab. Das Blut perlte in makaberer Schönheit seinen Arm hinunter. Mal langsamer, mal schneller. Es schillerte in all seinen faszinierenden Rottönen, mal schillernd, wie ein Rubin, elegant und kühl. An anderen Stellen sanft und weich, wie die Blütenblätter einer mit viel Liebe und Sorgfalt gezogenen Rose. Dann wieder geheimnisvoll wie eine Mondfinsternis in einer klaren Herbstnacht, wenn der Wind über die Acker braust und die Bäume laut, aber friedlich mit ihren Blättern rascheln. Oder feurig und vor Leben pulsierend, wie die Lippen einer schönen Frau. Noch mal setzte er die Klinge an, spürte die Kraft aus seiner Hand durch das scharfe Metall fließen, bevor er langsam schnitt, nur auf diese eine Sache konzentriert. Wieder legte er die Klinge beiseite, und ließ sich noch einmal von diesem fantastischen Strudel tragen, sammelte sich neue Energie, um sein Leben zu ertragen. Er stand auf, und nahm ein Taschentuch aus der Packung. Vorsichtig wischte er das Blut von seinem Arm, sah zu, wie neue rote Linien seien Arm runter liefen, wischte sie wieder weg, ganz ruhig, er hatte alle Zeit die er brauchte. Während er dies wiederholte, bis sich die Schnitte schlossen, dachte er daran, warum er noch lebte. Eigentlich, weil er stur und allein war. Aus freien Stücken würde er nie vor dieser Welt in die Knie gehen, die ihn so anwiderte. Niemals würde er vor so etwas primitivem davonlaufen, und so auch jene im Stich lassen, welche ihm seinen Raum gaben, und ihn darin frei existieren ließen. Das wäre kein Dank, das wäre schlimmer als der blanke Hohn, es wäre eine Verachtung des Wertes, die diese Menschen für ihn darstellten. Das Licht des Fernsehers warf flackernde Schatten durch das Zimmer, grelle Werbung oder düstere Sendungen wanden sich durch das Nachtprogramm, gruseliges, spannendes, makaberes, verrücktes, unterhaltsames bestimmten die Atmosphäre der Lichter. Auch wenn sie unterschiedliche Handlungen und Geschichten spielten, verschiedene Genres und Ansichten vertraten, so konnte er die Menschen vor den anderen Fernsehern durch diese Bilder sehen, Menschen denen Langweilig war, Menschen die mit ihren Problemen nicht sein wollten, was sie waren, Menschen die dort ihre Interessen sahen, und ein ganz paar andere, die das Fernsehen noch so eben in seinen Quoten mitnehmen wollte, deren Arten zu denken der seien ähneln könnten, die einfach diese düstere Stimmung mit den Bildern unterstreichen wollten, während sie durch selbe durchsahen. Menschen, mit denen er Raum teilen konnte, mit denen er frei sein konnte, unangepasst und der Masse gegenüber fremd und unheimlich. Das Teelicht auf seinem Tisch erlosch, und die Uhr hatte ihre Runden auch ohne ihn gemacht. Bewusstlose Stille zog sich durch die späte, auf die Dämmerung wartende Nacht. Noch ein paar Bilder aus dem Fernseher, ein paar Dialoge für den Hunger der nächtlichen Fernsehschauenden nach Unterhaltung, noch ein paar Schnitte und frisches Blut, dann würde auch er schlafen gehen. Nachdem er noch einige Minuten dem Fernseher gelauscht hatte, nahm er das abgebrannte Teelicht, zerknüllte das befleckte Taschentuch und entsorgte beides im Müll. Er setzte sich wieder hin, und streckte seine Hand nach der Rasierklinge aus.
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